Nowhere to hide? – “Neue Gentechnik” und ihr Nachweis

Gentechnik-Gegner feiern eine gerade publizierte Methode als Durchbruch, die genom-editierte Pflanzensorten von anders gezüchteten unterscheiden soll. Doch was steckt wirklich hinter der neuen Studie?

Kurz und knapp: die wichtigsten Fakten zur „Nowhere-to-hide-Studie“

  • Anders als in dazugehörigen Pressemitteilungen suggeriert, ist die Methode nicht geeignet, um genom-editierte (GE) Pflanzen generell zu identifizieren.
    Der Test ist also kein „Nachweis für Neue Gentechnik“.
  • Die in der Studie nachgewiesene, laut Autor*innen durch GE eingefügte Mutation ist in Wahrheit eine spontan entstandene Mutation.
  • Die als wissenschaftlicher Durchbruch dargestellte qPCR-basierte Methode gehört in vielen Laboren schon lange zum Alltag.
  • Die Studie wurde ausschließlich von Organisationen finanziert, die sich aktiv gegen Gentechnik engagieren und die von einem nachweisbaren Unterschied zwischen GE- und Nicht-GE-Pflanzen profitieren.
  • Laut BVL kann mit der Methode allein kein gerichtsfester Befund zum Nachweis von Genom-Editierung bei amtlichen Kontrollen von Lebensmitteln und Futtermitteln erstellt werden.

Die Diskussion um “Neue Gentechnik” dreht sich häufig um die Frage, inwieweit sich gentechnisch erzeugte Mutationen in Organismen von natürlichen oder anderweitig erzeugten Mutationen unterscheiden lassen. In der Debatte um die CRISPR-Cas-Technik1 betonen Wissenschaftler*innen immer wieder, dass die gezielten Eingriffe ins Erbgut zu Organismen mit Punktmutationen führen, die nicht von natürlich vorkommenden Punktmutationen, z.B. durch die UV-Strahlung der Sonne, zu unterscheiden sind. Warum und vor allem wie soll die Regulation von genom-editierten (GE) Organismen aber durchgesetzt werden, wenn GE- und Nicht-GE-Organismen keine detektierbaren Unterschiede aufweisen? Nun verkündet Greenpeace auf Basis einer am 07.09.2020 veröffentlichten Studie2 mit den Worten “Some say you can’t detect #NewGMO. But we show you can.”3 und #NowhereToHide das Gegenteil. Aber was steckt dahinter?

Die Forschungsgruppe hinter der Studie hat eine Methode entwickelt, mit der die laut Autor*innen genom-editierte (GE) herbizidtolerante Rapssorte der US-Firma Cibus4 von einer chemisch mutagenisierten Sorte mit der gleichen Toleranz (nicht GE) unterschieden werden kann. Für die Herbizidtoleranz sind Punktmutationen in Genen der AHAS-Familie verantwortlich, von denen die beiden mit den Bezeichnungen 1C und 3A für diese Studie relevant sind. Die GE-Sorte und die Nicht-GE-Sorte sind in ihren Punktmutationen nicht identisch, was in der folgenden Tabelle zusammengefasst ist. Die GE-Sorte weicht in beiden Genen von konventionellen Rapssorten (Wildtyp) ab, während die Nicht-GE-Sorte sich nur im AHAS 3A Gen vom Wildtyp unterscheidet.

AHAS 1CAHAS 3A
genom-editiert (GE)T statt GT statt G
chemisch mutagenisiert (nicht GE)wie Wildtyp (G)T statt G

Die entwickelte Methode zur Unterscheidung der beiden Sorten basiert auf Quantitativer Real Time PCR kurz qPCR (mehr Infos im Kasten unten). Dabei werden gezielt sehr viele Kopien eines ganz bestimmten DNA-Abschnitts hergestellt. Welcher Abschnitt kopiert wird, hängt von der Wahl von zwei sogenannten Primern ab. Das sind kurze DNA-Stücke, die zum Beginn und zum Ende des zu kopierenden Abschnitts passen müssen. Passen sie genau, werden unzählige detektierbare Kopien gemacht, aber passen die Primer nicht exakt, wird nicht effizient kopiert.

In der Studie wurden die Primer so gewählt, dass spezifisch nur ein Abschnitt des 1C Gens der GE-Sorte kopiert wird. Zwar passt der eine Primer sowohl zur DNA des Wildtyps, der GE-Sorte und der Nicht-GE-Sorte, aber beim anderen Primer wird ausgenutzt, dass bei diesem Gen nur in der GE-Sorte eine Punktmutation (T statt G) vorliegt. Der gewählte zweite Primer passt deshalb nur bei der GE-Sorte, nicht aber beim Wildtyp oder bei der Nicht-GE-Sorte. Somit entsteht bei Wildtyp und Nicht-GE-Sorte keine relevante Anzahl an Kopien, bei der GE-Sorte jedoch schon.

Die beschriebene qPCR Methode kann genau diese beiden mutagenisierten Rapssorten voneinander unterscheiden.
Doch in den begleitenden Pressemitteilungen wird suggeriert, dass man durch qPCR nun generell durch neue Gentechniken/CRISPR entstandene Pflanzen von anderen Züchtungen unterscheiden kann5 6. Tatsächlich basiert die Unterscheidung lediglich darauf, dass der GE-Raps von Cibus eine gezielt eingebaute Punktmutation besitzt, die in der chemisch veränderten Nicht-GE-Sorte und in konventionellen Rapssorten nicht vorkommt. Würde die gleiche Mutation auch in der Nicht-GE-Sorte vorliegen, könnte diese so nicht unterschieden werden. Außerdem ist anders als angedeutet diese Methode des Nachweises mittels qPCR keineswegs neu oder ein wissenschaftlicher Durchbruch. Tatsächlich ist es eine Standardmethode, die schon lange in vielen Laboren etabliert ist.

Was kann der publizierte Test?Was kann der publizierte Test nicht?
  • einen Organismus (egal ob GE oder nicht) mit einer bekannten Punktmutation an definierter Stelle von anderem Organismus (egal ob GE oder nicht) ohne diese Mutation unterscheiden
  • GE-Organismus mit einer bekannten Punktmutation an definierter Stelle von Nicht-GE-Organismus unterscheiden, der die gleiche Mutation (natürlich oder durch Strahlung oder Chemikalien) besitzt
  • GE-Organismus mit unbekannter Mutation als GE identifizieren

Auf Twitter7 haben zudem einige Kritiker*innen der Studie angemerkt, dass die Primer, die in der Studie für die qPCR genutzt wurden, auch noch an Gene von anderen Pflanzen binden könnten. Als (nicht von uns verifizierte) Beispiele wurden z.B. Acker-Rettich sowie andere nicht GE-Rapssorten genannt. Sollte sich das bewahrheiten, würde die beschriebene qPCR Nachweismethode auch Alarm schlagen, wenn sich wilde Acker-Rettiche unter eine Ladung Raps gemischt haben.
Auch die Süddeutsche Zeitung8, die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)9 und die Deutsche Botanische Gesellschaft (DBG)10 äußern sich in aktuellen Stellungnahmen kritisch über die Publikation.

Zu allem Überfluss weist ein aktueller Blogartikel11 darauf hin, dass die Rapssorte von Cibus zwar während eines Verfahrens zur Genom-Editierung entstanden ist, aber die in der Studie thematisierte Mutation tatsächlich spontan während der Kultivierung der Sorte entstanden ist und nicht durch das Editierungsverfahren. Diese Information ist auch in einer in der Studie angegeben Quelle zu finden12. Damit wurde mittels qPCR also nicht einmal eine bekannte, per Genom-Editierung eingefügte Mutation nachgewiesen, sondern schlicht eine bekannte, spontan entstandene Mutation!

Am 09.09.2020 bezog das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) Stellung zur publizierten Methode13: “Das im Artikel beschriebene Verfahren kann spezifisch diese Mutation nachweisen. Es kann aber nicht identifizieren, ob sie in einer der Rapslinien tatsächlich durch Genom-Editierung entstanden ist. Ein gerichtsfester Befund bei amtlichen Kontrollen von Lebensmitteln und Futtermitteln auf unbeabsichtigte Anteile von GVO ist daher mit dieser Methode alleine nicht möglich.” Des Weiteren bestätigt das BVL den oben genannten Blogartikel und “kommt […] zu der Einschätzung, dass die im Artikel betrachtete Punktmutation nicht durch Genom-Editierung-Verfahren entstanden ist.”

Schließlich ist zu erwähnen, dass die Studie ausschließlich von Organisationen finanziert wurde, die sich öffentlich gegen grüne Gentechnik aussprechen (in der Publikation aufgeführte Geldgeber: Verband Lebensmittel ohne Gentechnik (VLOG), Greenpeace EU, Organic and Natural Health Association, The Non-GMO Project, ARGE-Gentechnik frei, EU Regional Group (IFOAM EU), The Sustainability Council of New Zealand). Für diese Gentechnik-Gegner ist eine Studie natürlich wertvoll, die auf den ersten Blick belegt, dass per Genom-Editierung erzeugte Pflanzen detektierbar und damit unterschiedlich zu natürlichen Mutanten sind. Dies gilt besonders vor dem Hintergrund, dass einer der Sponsoren (VLOG) sich dadurch finanziert, gentechnikfreie Lebensmittel mit einem Label zu versehen. Es untergräbt natürlich die Authentizität des Labels (und somit das Geschäftsmodell von VLOG), wenn man genom-editiertes Saatgut nicht ohne Weiteres nachweisen kann. So wird nun allerdings weiterhin gegen eine zeitgemäße und wissenschaftsbasierte Neuregelung des Gentechnikrechts mobilisiert, ohne das Problem der Nachweisbarkeit von CRISPR-erzeugten Pflanzensorten wirklich gelöst zu haben.

Nicht überraschend hat ein Konsortium von Gentechnik-Kritikern die Studie direkt nach ihrer Veröffentlichung per Social Media verbreitet und die dazugehörige Website www.detect-gmo.org eingerichtet. Dort sind als Unterstützer u.a. die oben genannten Geldgeber angegeben. In ihrer Pressemitteilung14 ist direkt zu Beginn der folgende Satz zu lesen: “The new research refutes claims by the biotech industry and some regulators that new genetically modified (GM) crops engineered with gene editing are indistinguishable from similar, non-GM crops and therefore cannot be regulated.”15 Eine Quellenangabe zu diesem Strohmannzitat, das immerhin die zu widerlegende Ausgangshypothese für die ganze Studie darstellt, wird nicht geliefert.

Abgesehen von der falschen Angabe, die Mutation im Cibus-Raps wäre durch Genom-Editierung entstanden, sind die Aussagen der Studie nicht direkt fehlerhaft. Doch die begleitenden Tweets und die Website des Konsortiums erwecken den falschen Eindruck, der publizierte Test sei ein universelles Mittel zur Identifikation von Sorten, die mit Genome Editing gezüchtet wurden. Es ist hingegen weiterhin nicht möglich, bei einer Pflanze mit unbekannter per Genom-Editierung eingefügter Mutation nachzuweisen, dass es sich um eine genom-editierte Pflanze handelt. Ohne eine genaue Sequenz des mutierten Gens lassen sich nämlich keine spezifischen qPCR Primer erstellen. Man könnte also plakativ gesagt trotz der sogenannten „#NoWhereToHide-Methode“ immer noch in einer Schiffsladung Soja einen beliebig großen Anteil an CRISPR-Soja “verstecken”, ohne dass dies nachgewiesen werden kann.

Das Fazit des aktuellen Forschungsstands inklusive dieser kontroversen neuen Publikation: Genom-editierte Organismen können nur als solche identifiziert werden, wenn die gezielt eingeführte Punktmutation 1. nur in diesem GE-Organismus vorkommt und 2. über die Mutation schon vorher bekannt ist, dass sie per Genom-Editierung eingefügt wurde. Erhält man jedoch ohne weitere Information einen Organismus mit einer Punktmutation, kann durch keine Methode festgestellt werden, ob die Mutation natürlich entstanden ist, per Kontakt zu Chemikalien oder Strahlung oder durch Genom-Editierung. Trotz aller Kritik, eine wissenschaftlich eindeutige Methode zum Nachweis von Genom-Editierung wäre aus politisch wie aus wissenschaftlicher Sicht ein wünschenswertes und wertvolles Werkzeug. Ob so ein Nachweis überhaupt irgendwann möglich ist, ist fraglich, bestenfalls kann man eine solche Methode als Zukunftsmusik bezeichnen.

Was ist eigentlich qPCR?

qPCR (quantitative polymerase chain reaction) basiert wie jede Polymerase-Kettenreaktion auf einem DNA-vervielfältigenden Enzym. Diese DNA-Polymerase ist in der Lage, DNA-Abschnitte zu kopieren, die von zwei kleinen spezifischen DNA-Stücken, den sogenannten Primern, flankiert werden. Dabei durchläuft die Reaktion verschiedene Temperaturen:

  • 95 °C um den DNA-Doppelstrang in zwei Einzelstränge zu trennen
  • 50-72 °C um die Bindung der Primer an die spezifischen Stellen der Einzelstränge zu erlauben
  • 72 °C als optimale Temperatur für die Aktivität der DNA-Polymerase, die die beiden Einzelstränge zu Doppelsträngen vervollständigt

So wird der von den Primern flankierte DNA-Abschnitt kopiert. Dies wird nun 25-30x wiederholt, wobei die Anzahl der Kopien exponentiell ansteigt. Je nachdem, wie viele DNA-Moleküle ursprünglich vorlagen, werden hohe Anzahlen an Kopien bereits nach wenigen oder erst nach vielen Zyklen erreicht. Das macht man sich in der qPCR zu Nutze, um die ursprüngliche Anzahl eines DNA-Abschnittes mittels fluoreszierender DNA-Sonden abschätzen zu können. Passt mindestens einer der Primer nicht zu der vorliegenden DNA-Probe, können per qPCR keine Kopien hergestellt werden und das Fluoreszenzsignal bleibt aus.

Margareta Hellmann

Einzelnachweise

  1. https://progressive-agrarwende.org/crispr-cas-grundlagen/
  2. Chhalliyil, P.; Ilves, H.; Kazakov, S.A.; Howard, S.J.; Johnston, B.H.; Fagan, J. (2020) A Real-Time Quantitative PCR Method Specific for Detection and Quantification of the First Commercialized Genome-Edited Plant. Foods, 9, 1245.
  3. https://twitter.com/GreenpeaceEU/status/1302863274237743106 – Tweet von Greenpeace EU vom 07.09.20
    deutsch: “Einige sagen, man kann mit neuer Gentechnik modifizierte Organismen nicht nachweisen. Aber wir zeigen, man kann es.”
  4. https://www.cibus.com/ – Hersteller des SU Canola.
  5. https://twitter.com/GreenpeaceEU/status/1302863274237743106 – Tweet von Greenpeace EU vom 07.09.20
  6. https://www.detect-gmo.org/press-release – Pressemitteilung des Detect GMO Konsortiums vom 07.09.20
  7. https://twitter.com/methylcytosine/status/1303225481009991680 – Tweet von Etienne Bucher vom 08.09.20
  8. https://sz.de/1.5025237 – Artikel der Süddeutschen Zeitung vom 08.09.20
  9. https://www.dfg.de/dfg_profil/gremien/senat/grundsatzfragen_genforschung/ – Einordnung des Tests durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft vom 09.09.20
  10. https://www.deutsche-botanische-gesellschaft.de/ueber-die-dbg/aktionen/stellungnahme-nachweis-von-genomeditierung – Stellungnahme der Deutschen Botanischen Gesellschaft vom 09.09.20
  11. https://schillipaeppa.net/2020/09/09/greenpeace-et-al-entdecken-spontanmutation/amp/?__twitter_impression=true – Blogartikel vom 09.09.20
  12. https://www.canada.ca/en/health-canada/services/food-nutrition/genetically-modified-foods-other-novel-foods/approved-products/novel-food-information-cibus-canola-event-5715-imidazolinone-sulfonylurea-herbicide-tolerant.html
  13. https://www.bvl.bund.de/SharedDocs/Fachmeldungen/06_gentechnik/2020/2020_09_09_Fa_Nachweismethode-genomeditierte-Pflanzen.html – Stellungnahme des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit vom 09.09.20
  14. https://www.detect-gmo.org/press-release – Pressemitteilung des Detect GMO Konsortiums vom 07.09.20
  15. frei übersetzt: “Die neuen Forschungsergebnisse widerlegen Behauptungen der Biotech-Industrie und von einigen Regulatoren, nach denen neue genetisch modifizierte (GM) Kulturpflanzen, die durch Genom-Editierung hergestellt wurden, nicht von ähnlichen nicht GM-Pflanzen zu unterscheiden sind und daher nicht zu regulieren sind.”

3 Kommentare

  1. Ich bin selbst Medizinerin und verfolge kopfschüttelnd die offenbar weitgehend ideologisch geführte Diskussion um die angeblich „böse“ bzw. schädliche Anwendung von Gentechnik im Agrarsektor, aber auch in anderen Bereichen.
    Aus der Medizin sind gentechnische Verfahren gar nicht mehr wegzudenken – sonst würden wir immer noch Insulin aus der Bauchspeicheldrüse von Schweinen oder Rindern auswaschen, um damit unsere Typ-1-Diabetiker zu behandeln.
    Klar muss jede Technik, die bei der Erzeugung von Lebensmitteln zum Einsatz kommt, einer Überprüfung hinsichtlich der Unbedenklichkeit für Menschen und Tiere standhalten! Aber einen Beweis, dass verantwortungsvoller Einsatz gentechnischer Methoden im Ergebnis durchweg zu riskanten Produkten führt, kann ich wissenschaftlich nirgendwo nachvollziehen!
    Gute Initiative, die ihr da auf den Weg gebracht habt!

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