GASB meets PAW Vol. 2 – Pflanzen der Zukunft, Züchtung für Morgen.

Klimawandel, eine wachsende Weltbevölkerung, schwindende Ressourcen und weniger Dünger und Pestizide- die (Nutz)Pflanzen von Morgen müssen so Einiges bewältigen. Wie das gelingen könnte, haben wir am 16.09.2020 bei GASB meets PAW II genauer unter die Lupe genommen! Dabei konnten wir den ganzen Weg der Pflanzenzüchtung vom Labor über die Züchter bis hin auf die Anwendung im Feld folgen. Hierzu durften wir David Spencer (DS), Science Slammer und Doktorand an der RWTH Aachen, Jon Falk (JF), Geschäftsführer der SAATEN-UNION Biotec GmbH und Thomas Gäbert (TG), Vorstandsmitglied der Agrargenossenschaft Trebbin eG begrüßen. 

Wie beim letzten Termin sammeln wir hier alle gestellten Fragen mit kurzen Statements unseres Panels zum Nachlesen:

Was ist dran am Vorwurf, dass CRISPR/Cas9 nicht so präzise ist, wie oft publiziert?

DS: Wenn das CRISPR/Cas Konstrukt das Genom außer an der gewünschten Stelle noch an weiteren Stellen im Genom schneidet spricht man von einem off-target Effekt. Die Hauptursache für das Auftreten von off-target Effekten ist, dass das CRISPR/Cas Konstrukt einzelne Basenpaar Abweichungen zwischen der Zielsequenz und weiteren ähnlichen Stellen im Genom toleriert und die DNA Sequenz dann auch an der nicht gewollten Stellen geschnitten wird. Von den vielen hundert Studien, in denen nach off-target Effekten gesucht wurde, gibt es einige Wenige, in denen tatsächlich off-target Effekte aufgetreten sind. Wie die Analyse dieser Studien jedoch auch zeigt, treten off-target Effekte fast ausschließlich an Stellen auf, die sich von der Zielsequenz lediglich in einer oder maximal zwei Basenpaaren unterscheidet. Wählt man stattdessen eine Zielsequenz aus, die keine weitere ähnliche Sequenz im Genom hat, kann das Auftreten von off-target Effekten verhindert werden.

Wann wird überprüft ob eine neue Sorte unbedenklich für den menschlichen Verzehr ist? Wie häufig kommen potentiell gefährliche Sorten vor?

JF: Generell wird bei der Sortenentwicklung mehrjährig und mehrortig selektiert. In der Regel werden in jeder Runde der Selektion 70-80 % der Kandidaten verworfen. Zu den Selektionskriterien gehören neben Ertrag und Krankheitsanfälligkeit auch verschiedene Qualitäten. Sollte es Auffälligkeiten geben, würde ein Züchter eine solche Linie so früh wie möglich verwerfen. Auch in den anschließenden amtlichen Wertprüfungen (2-3 Jahre) werden entsprechende Analysen gemacht. Daher können zugelassenen Sorten als sicher angesehen werden.

Werden Sorten nur in einem Bundesland getestet und wie arbeiten die Landesanstalten bei der Bewertung zusammen?

JF: Bei der Sortenanmeldung ist die erste Anlaufstelle das Bundessortenamt, das mehrortig in ganz Deutschland testet. Nach der Sortenzulassung wird dann in den Landessortenversuchen (LSV) die regionale Eignung getestet. Nicht alle neu zugelassenen Sorten werden in allen Bundesländern für die LSV angenommen, insbesondere dann nicht, wenn sie sich als ungeeignet für die Region herausgestellt haben.

Als Landwirt*in lieber ertragreiche Pflanzen aus konventioneller Züchtung oder moderner Gentechnik?

TG: Das entscheidende Kriterium ist die Ertragsfähigkeit bzw. das Ertragspotential. Um das Ertragspotential ausschöpfen zu können, müssen viele Einflussfaktoren (Klima/ Witterung, Boden, Düngerarten und -verfügbarkeit, Agrotechnik und deren Verfügbarkeit etc.) berücksichtigt werden. Vor diesem Hintergrund ist der Weg der Entstehung neuer Sorter eher von untergeordneter Bedeutung für den Landwirt. Entscheidend ist, dass sich mit den zur Verfügung stehenden agrotechnischen Maßnahmen (das ist bei jedem Landwirten unterschiedlich) ein optimaler Ertrag (insbesondere bei der Abwägung der Intensität in den Naturhaushalt) realisieren lässt.

Wie wirken sich die Kosten moderner Technologien in der Saatgutherstellung aus? Kann die Zeitersparnis Geld sparen oder steigen die Kosten für Landwirt*innen?

JF: Die neuen Techniken machen die Sortenentwicklung nicht billiger, aber schneller. Da jedes Jahr die Anforderungen der Sortenzulassung steigen (nur was besser ist als das, was an Sorten zur Verfügung stehen), ist es auch ein Wettbewerbsvorteil, wenn der Pflanzenzüchter schneller ist. Andererseits wird der Landwirt am Ende nur bereit sein mehr zu zahlen, wenn er dann auch mehr verdient. Trifft es nicht zu, wir der Landwirt eine andere Sorte wählen.

Das Repertoire nutzbarer wirkungsvoller Fungizide nimmt tendenziell ab, wie wirkt sich diese Entwicklung auf die Sortenentwicklung aus?

JF: Schon heute werden in den Wertprüfungen des Bundessortenamts Versuche ohne Fungizidbehandlung und weniger Dünger durchgeführt. Neue Sorten mit großer Krankheitsanfälligkeit haben praktisch keine Chance mehr auf Sortenzulassung. Es ist ein Wettlauf zwischen der Entwicklung neuer resilienter Sorten, dem Auftreten neuer Krankheitserreger und der Verfügbarkeit an Pflanzenschutzmitteln. Die Sortenentwicklung muss dringend beschleunigt werden, um die Landwirte möglichst schnell mit toleranten Sorten versorgen zu können.

Sind Zuchtforschritte in Ländern mit liberaleren Gentechnik-Regularien größer als in eher restriktiven Ländern wie Deutschland?

JF: Eine interessante Frage, aber schwer zu beantworten, da nicht überall die gleichen Kulturpflanzen angebaut werden. In Bezug auf Nachhaltigkeit im Sinn von weniger Pflanzenschutzmitteln, sichere Ernte, sichere Qualität, gesündere Lebensmittel und mehr Einkommen für die Landwirte, sind beträchtliche Erfolge in Ländern erzielt worden, die eine liberalere Gentechnik-Regulierung haben. 

Wie sind die Aussichten auf Beschleunigung im Prozess der Sortenentwicklung in Richtung 2050 angesichts von Klimawandel und einer Weltbevölkerung von 10 Milliarden Menschen?

JF: Es braut sich gegenwärtig ein perfekter Sturm zusammen. Wir müssen eine nachhaltigere Landwirtschaft entwickeln, die trotz des Klimawandels stabile und  möglichst hohe Erträge erzielt, die notwendige Qualität der  Produkte garantiert und wir brauchen Ersatz für Erdöl und Kohle (Nachwachsende Rohstoffe und Energie). Die bisherige Sortenentwicklung ist zu langsam, daher sollten wir nicht voreilig auf vielversprechende Werkzeuge verzichten, sondern offen über Chancen und Risiken sprechen. 

Was ist wichtiger für die finale Entscheidung für eine Sorte Informationen der Bundes- oder Landessortenversuche?

JF: Letztendlich die Landessortenversuche, da der Landwirt in der Regel erst sehen will, ob die neue Sorte hält, was sie verspricht. 

Wie sieht die Akzeptanz von Sorten aus gentechnischen Methoden unter Landwirt*innen aus?

TG: Wenn sich in unabhängigen Untersuchungen deutliche Vorteile unter unseren lokalen Anbaubedingungen darstellen lassen, gehe ich davon aus, dass die Mehrzahl der Landwirte Sorten ebendieser Herkunft akzeptieren würden. Landwirte sind aber auf den Verkauf ihrer Produkte und damit auch auf die Akzeptanz der Abnehmer/ Verbraucher angewiesen. Ich denke die erste Hürde ist zu nehmen, während es bei der zweiten sehr kompliziert werden könnte. Gerade weil vielfach behauptet würde mit einem “guten Ackerbau” [Anm. Fruchtfolge etc.] würden solche Methoden nicht notwendig sein. Das ist nicht nur eine freche Unterstellung gegenüber der ganz großen Mehrheit der Landwirte, sondern auch einfach sachlich falsch angesichts ständig neuer und wachsender Herausforderungen (Klima, Biodiversität etc.). 

Wie würde sich die Legalisierung von Genome Editing auf Züchtungs-Prozesse ausüben?
JF: Die große Mehrheit der Pflanzenzüchter in Deutschland sind kleine und mittelständische Unternehmen und versprechen sich deutliche Fortschritte bei der Sortenentwicklung. Die gegenwärtige Regulierung macht eine Anwendung in Deutschland praktisch unmöglich. Wenn die Verbraucher an praktischen Beispielen sehen könnten, wie solche Pflanzen zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft beitragen, würde auch die Akzeptanz für solche Anwendung steigen. Also nicht reden, machen.  

Würdest Du als Landwirt solche Pflanzen anbauen?

TG: Wie schon bei Frage 10 angedeutet: Ja. Allerdings muss ich ehrlich zugeben haben die langjährigen Medienkampagnen der NGOs unterbewusst bei jedem Spuren hinterlassen. Hier muss mit neutralen Versuchen und klarer sachgebundener Aufklärung einiges an Glauben und Annahmen wettgemacht werden, damit die notwendige Akzeptanz entlang der gesamten Wertschöpfungskette entsteht. Hier darf der Landwirt definitiv nicht allein gelassen werden. Andernfalls würde auch bei den (meisten) Landwirten Angst, Bedenken oder Zweifel (Anfeindungen, Feldzerstörungen, Abnahmeboykotte, etc.)  überwiegen.

Wie bewertet Ihr die Gefahr von Patentierung im Rahmen neuer Züchtungsmethoden unter den Gesichtspunkten des Open Source Prinzips des Züchterprivilegs?

JF: Der große Züchtungsfortschritt in Deutschland ist vor allem Ergebnis eines wirksamen Sortenschutzes, das Zugriff auf neuestes genetisches Material garantiert, um es züchterisch zu bearbeiten. Für technische Erfindungen in der Pflanzenzüchtung ist ein angemessener Schutz durch das Patentrecht möglich.  Aber Patentschutz darf die Balance zwischen Zugang zu genetischen Ressourcen und Schutz geistigen Eigentums nicht gefährden. Daher wird von den deutschen Pflanzenzüchtern  ein Verbot der Patentierung von Pflanzen aus im Wesentlichen biologischen Verfahren gefordert. 

Welche Möglichkeiten bestehen um die Nachweisbarkeit der induzierten Veränderungen zu erhöhen?

JF: Das Problem liegt in der Natur von Mutationen. Jede Pflanze sammelt im Laufe ihres Lebens neue Mutationen. Daher sind die Genome auch direkter Nachkommen einer reinerbigen (homozygoten) Sorte nicht identisch mit der Ausgangspflanze.  In einem 50 ha großen Gerstenfeld würde ich theoretisch mindestens 1 Pflanze finden können, die auf natürlicher Art eine Mutation an dieser Stelle im Genom aufweist. Wenn ich also eine Mutation finde, kann ich nicht sicher sagen, wo sie herkommt. Es sind also immer nur statistische Wahrscheinlichkeiten berechnet werden. Bei klassischen GVO befindet sich an der Insertionsstelle in der Regel eine artfremde DNA-Sequenz und die ist eindeutig erkennbar. 

Wie wird CRISPR/Cas9 in der privaten Züchtungsforschung eingesetzt? Werden Methoden mit CRISPR erprobt und dann mit alten Methoden eingebracht?

JF: CRISPR/Cas9 wir heute schon von einigen Pflanzenzüchtern angewendet, aber wegen der fehlenden gesetzlichen Rahmenbedingungen bisher lediglich im Rahmen von Forschungsprojekten oder für den nicht-europäischen Markt. Eine Kombination mit alten Mutagenese-Methoden ist meistens nicht sinnvoll, da derartig hergestellte Mutanten viele tausend Mutationen enthalten, die in der Regel zu Ertragsminderung führen. Solche ungewollten Mutationen müssen dann erst durch viele Rückkreuzungen aufwendig raus gekreuzt werden. 

Gibt es Methoden, um die gesundheitlichen Auswirkungen von genetisch-veränderten Lebensmitteln zu testen?

JF: In der Regel werden Fütterungsstudien vorgeschrieben, wenn neue GVO zugelassen werden. Aber was sind gentechnisch veränderte Lebensmittel? Zählen dazu auch solche Lebensmittel, denen zum Beispiel gentechnisch hergestellte Enzyme zugesetzt wurden? Diese konsumieren wir schon seit Jahren, ohne dass es zu Problemen geführt hat. Leider ist es heute so, dass nicht überall GVO drauf stehen muss, wo GVO drinnen ist. 

Kann neue Gentechnik auch Verfahren der alten Gentechnik (Transgenese) sicherer machen?

JF: Neue Gentechnik kann die alte Gentechnik nicht vollständig ersetzen. Sie könnte aber in vielen Fällen Bedenken gegenüber der alten Gentechnik ausräumen, wenn dadurch keine Selektionsmarker mehr in das Genom integriert werden müssen. Zudem könnte man die Positionseffekte minimieren. Fremdgene würden nicht mehr willkürlich in das Genom integriert, sondern gezielt und ohne andere Gene in ihrer Funktion zu stören. 

Sind Landessortenversuche, wie eine Art Stiftung Warentest für Pflanzensorten?
JF: Das ist ein interessanter Vergleich, da die Landessortenversuche behördlich kontrollierte und durchgeführte Prüfungen sind.

TG: Die Landessortenversuche sind eine sehr gute und von den meisten Landwirten hochgeschätzte Informationsquelle, welches Leistungsvermögen neue Sorten in den einzelnen Anbauregionen haben. Die Versuche gilt es als unabhängige Kontrollinstanz unbedingt zu erhalten.

Wie empfindet ihr den aktuellen Umgang der Politik mit Züchtungsmethoden? Was erwartet Ihr von politischen Vertretern, die selbst auch eine nachhaltige Landwirtschaft einfordern?

JF: Jede Technologie birgt auch immer Risiken, die es abzuwägen gilt. Wird jedoch eine Technologie aus ideologischen Gründen  pauschal abgelehnt, obwohl wissenschaftliche Untersuchungen die notwendige Unbedenklichkeit und einen klaren Nutzen belegen, ist es schwer vorstellbar, dass wir die anstehenden Herausforderungen des Wandels zu einer nachhaltigen Landwirtschaft und Bioökonomie meistern werden. Demokratie lebt von der Kompromissbereitschaft, die einigen Politikern in der heutigen Zeit leider fehlt. Ich vertraue aber auf die Unterstützung junger Menschen in unserer Gesellschaft, die den notwendigen Wandel einfordern werden.

TG: Entscheidend ist das Ziel einer leistungsfähigen (sowohl aus quantitativer als auch qualitativer Sicht) und gleichzeitig umweltschonende, biodiversitätserhaltenden bzw. -vermehrende Landwirtschaft. Neue Züchtungsmethoden sind definitiv ein Baustein davon. Diese zu ignorieren oder pauschal abzulehnen zeigt für mich nur klar auf, dass das im Satz zuvor genannte Ziel, nicht an erster Stelle steht sondern Dogmen oder Ideologien im Vordergrund stehen.

Welche Rolle spielt die Züchtung unter ökologischen Bedingung bei konventionellen Sorten?

JF: Die ökologische Züchtung ist von der konventionellen Züchtung nicht zu trennen, da das meiste Saatgut für den ökologischen Landbau aus der konventionellen Züchtung kommt und lediglich unter spezifischen Bedingungen produziert wird. Viele konventionelle Züchter forschen auch an zukünftigen Anbausystemen, da eine Kreuzung von heute für den Markt in 10-20 Jahren gedacht ist. Da es klar ist, dass die Landwirtschaft nachhaltiger werden muss, plant auch der konventionelle Züchter dieses mit ein.

Wie sind CRISPR/Cas9 und das Sortenrecht vereinbar oder geht kein Weg an Patentierung bei GVOs vorbei?

JF: Die Pflanzenzüchter in Deutschland haben sich eindeutig für den Erhalt des Sortenschutzrechts ausgesprochen. Auch heute schon gibt es Patente, die der Pflanzenzüchter beachten muss. Lizenzen für solche Patente müssen aber für alle Pflanzenzüchter zugänglich sein, dann gefährden sie das Sortenrecht nicht notwendigerweise. Eine zweite Frage ist die Höhe der Lizenzgebühren. Sind sie zu hoch, lohnt es sich weder für Pflanzenzüchter, Landwirte, Verarbeiter noch für Endkonsumenten. Der Markt wird es dann regeln. 

GASB meets PAW Vol.3 – Eine Landwirtschaft zwei Systeme?

Christian Kaiser

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