Bericht: GASB meets PAW – Gentechnik Knackpunkt #2: Biodiversität

Am 25. Mai 2023 ging es endlich weiter mit unserer Webinar-Serie zum Thema Gentechnik-„Knackpunkte”, sprich zu fundierten Bedenken, die immer wieder in der Diskussion um grüne Gentechnik auftauchen. Nach dem Schwerpunkt Pflanzenschutz in Folge 1 ging es in Folge 2 um Biodiversität und wie immer haben wir dank unserer Gäste viel gelernt und dank eurer Fragen viel diskutiert und nachgebohrt. Wenn ihr die Veranstaltung verpasst habt – kein Problem! Hier oder unten eingebettet könnt ihr das komplette Webinar nachträglich anschauen oder anhand unserer Zeitstempel einen bestimmten Part herauspicken.

In dieser Folge wollten wir das Zusammenspiel aus Biodiversität und grüner Gentechnik besser verstehen. Was genau steckt hinter beiden Begriffen? Wie wird die Artenvielfalt von der Nutzung von Gentechnik auf dem Acker beeinflusst? Inwiefern unterscheidet sich dieser Einfluss bei gentechnikfreier Landwirtschaft? Dieses Mal war die Moderation, wie natürlich das gesamte Format, eine Kooperation der German Association for Synthetic Biology e.V. (GASB) und der Progressiven Agrarwende (PAW) bzw. des Öko-Progressiven Netzwerks (ÖkoProg): René Inckemann von der GASB und Margareta Hellmann von PAW/ÖkoProg leiteten uns durch die zweistündige Veranstaltung.

Zum Einstieg haben wir ein paar Aussagen gezeigt, die wir auf den Websites von Greenpeace, dem Bund für Naturschutz (BUND) und dem Naturschutzbund Deutschland (NABU) gefunden haben. Sie spiegeln in unseren Augen gut die gesellschaftlichen Bedenken und Sorgen gegenüber grüner Gentechnik und Biodiversität wider und im Folgenden haben wir genau diese mit unseren Expert*innen und euch adressiert.

Im Anschluss wollten wir wissen, mit welchen Ansichten unser Livepublikum in die Informations- und Fragerunden startet. Dazu haben wir euch zwei Aussagen gegeben und ihr konntet eure Meinung von „Stimme gar nicht zu“ bis „Stimme voll zu“ abgeben. Die Mehrheit schätzte die Gefahr für die Biodiversität durch gentechnisch veränderte Sorten nicht höher ein als durch konventionelle Sorten, aber es waren auch Personen mit deutlichen Bedenken im Publikum dabei. Bei der Risikoabschätzung lassen sich gut zwei Fraktionen ausmachen: Die etwas größere ist der Meinung, die Risiken durch grüne Gentechnik für die Biodiversität lassen sich abschätzen, die kleinere zweifelt das an.

Ergebnisse der Mentimeter-Umfrage ans Publikum; gezeigt sind die Mittelwerte der Zustimmungswerte von 0 („Stimme gar nicht zu“) bis 5 („Stimme voll zu“).

Damit scheint unser Webinar-Publikum beim Thema Gefahren und Risiken für die Biodiversität grüner Gentechnik gegenüber etwas kritischer eingestellt zu sein, als die Teilnehmer*innen unserer Twitter-Umfragen im Voraus.

Dann ging es los mit den Vorträgen unserer Gäste. Den Anfang machte Prof. Alexandra-Maria Klein (Twitter: @naturealexk), die an der Uni Freiburg die Professur für Naturschutz und Landschaftsökologie leitet und außerdem Vizepräsidentin der Gesellschaft für Ökologie für Deutschland, die Schweiz und Österreich ist. Sie forscht an den Auswirkungen von Veränderungen in der Landnutzung auf Pflanzen und Insekten und ihre Interaktionen mit besonderem Fokus auf bestäubende Insekten. Alexandra beantwortete erstmal die grundlegendste Frage: Was ist eigentlich Biodiversität und auf welchen Ebenen kann man sie beschreiben? Danach hat sie uns eine Vorstellung gegeben, wie man Biodiversität erforscht und dies anhand von zwei konkreten Beispielen aus ihrer eigenen Forschung sehr anschaulich dargestellt – dabei vergleicht sie u.a. die Artenvielfalt in konventionell und biologisch bewirtschafteten Nutzflächen. Zuletzt geht Alexandra auf die aktuelle Biodiversitätskrise ein, die auf den Verlust von Lebensräumen und auf die niedrige Qualität der verbliebenen Lebensräume zurückzuführen ist.

Im Anschluss half uns der frisch promovierte Dr. Robert Hoffie (Twitter: @ForscherRobert) in Sachen Pflanzenzüchtung und grüner Gentechnik auf die Sprünge – er forscht am Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben an der Züchtung von Gerste. Robert hat uns erklärt, wie lange es Pflanzenzüchtung tatsächlich schon gibt, wie sie ursprünglich, wie vor ein paar Jahrzehnten und wie heute betrieben wird und wie moderne grüne Gentechnik funktioniert und in dieses Bild passt.

Dr. Michael Meissle führte zuletzt die beiden Themen Biodiversität und grüne Gentechnik zusammen, denn er forscht am Agroscope (Twitter: @agroscope), dem Schweizer Bundes-Kompetenzzentrum für landwirtschaftliche Forschnung, an gentechnisch veränderten Pflanzen und ihrem Einfluss auf Agrarökosysteme. Er startete mit einer Einführung in die Diversität der Nutzpflanzen und ging dabei sowohl auf die gängigsten GVOs, als auch auf die Möglichkeiten ein, wie grüne Gentechnik die Nutzpflanzenvielfalt erweitern könnte, z.B. durch Re- oder Neudomestizierung. Danach gab Michael einen Einblick in die Artengemeinschaften im Feld und in der Agrarlandschaft und erläuterte, welche Rolle gentechnisch veränderte Pflanzen dabei spielen können. Im folgenden Abschnitt zu Artengemeinschaften im natürlichen Habitat ging es um die Gefahren des Auskreuzens in die Umwelt oder der Verwilderung von gentechnisch veränderten Kulturpflanzen, aber auch um Chancen von Gentechnik für den Erhalt gefährdeter Arten oder der Bekämpfung eingeschleppter Arten. Als Experte für Biosicherheit gab Michael nun einen Einblick in die Risikoanalyse für GVOs mit Fokus auf Umweltrisiken. Er beendete seinen Vortrag mit ein paar Denkanstößen, welche Herausforderungen die Landwirtschaft und Züchtung in Zukunft meistern muss und inwiefern Gentechnik dabei ein Werkzeug sein kann. Wer sich weiter informieren will, dem empfiehlt Michael eine gerade erschienene Ausgabe der „swiss academies communications“ zu neuen Züchtungstechnologien.

Damit blieb im Anschluss fast eine ganze Stunde für eure Fragen, die ihr fleißig über das Q&A-Tool von Zoom gestellt habt. An dieser Fragerunde nahm neben Alexandra, Robert und Michael noch Florian Hänsel teil, der als Nachwuchswissenschaftler bei der GASB für Biodiversitätsthemen zuständig ist und selbst an der Convention on Biological Diversity teilgenommen hat.

Unten findet ihr neben den Zeitstempeln der Vorträge auch die gestellten Fragen und die zugehörigen Zeitstempel im Video. Auf diesem Weg noch einmal Danke an alle Fragensteller*innen!

Ihr wollt beim nächsten Mal (wieder) live bei GASB meets PAW dabei sein, wenn es um den dritten Gentechnik Knackpunkt „Patente“ geht? Folgt uns einfach bei Twitter unter @ProgAgrarwende, @gasb_synbio oder @oekoprog, checkt regelmäßig unsere Websites oder abonniert unseren Newsletter.

Euer GASB meets PAW Team
René, Martin, Vinca, Svenja, Christian, Anja, Jana, Chris und Margareta

Zeitstempel der Vorträge

  1. Vortrag über Biodiversitätsforschnung von Prof. Alexandra-Maria Klein11:50
  2. Grundlagen grüner Gentechnik von Dr. Robert Hoffie – 25:00
  3. Vortrag über Gentechnik und Biodiversität von Dr. Michael Meissle37:09

Zeitstempel der Antworten auf folgende Fragen

  1. Szenario: Eine GV-Pflanze wildert aus oder kreuzt sich aus und verbreitet sich effizient in der Umgebung des Feldes. Wie realistisch ist dieses Szenario? Ist das Risiko bei gentechnisch veränderten Pflanzen höher als bei konventionell gezüchteten? – 1:11:23
  2. an Alexandra: Gibt es Nutzpflanzen, die per se „besser“ für die Biodiversität auf dem Acker sind als andere? (Wie) könnte man die genetisch so optimieren, dass sowohl wir, als auch Wildbiene & Co. etwas davon haben? – 1:18:50
  3. an Michael: Wenn manche Eigenschaften (z.B. Bt-Pflanzen) sogar positive Auswirkungen auf die Biodiversität haben (können), aber andere (z.B. herbizidtolerante) eher nicht, sollten diese Eigenschaften unterschiedlich reguliert werden, anstatt die Züchtungsmethode an sich? – 1:27:50
  4. an Florian: Du warst ja bei der COP15, wurde da auch über die Bedeutung von Gentechnik für Biodiversität gesprochen? Oder ist das ein eher deutsches Phänomen und spielt im großen Kontext der Convention on Biological Diversity eher weniger eine Rolle? – 1:31:22
  5. an Robert: Sind die Risiken/Nachteile, die oft für GVOs aufgeführt und diskutiert werden, nicht eher generelle Risiken/Nachteile der konventionelle Landwirtschaft im Allgemeinen? – 1:33:40
  6. an Alexandra: Gibt es aktuell auch Bewegung in der Forschung zu alternativen Landwirschaftsmodellen, die weg von der Monokultur mit optimierten Pflanzen führen (z.B. wie in der Permakultur, in der viele Pflanzen, die sich gegenseitig im Wachstum unterstützen, auf einer Fläche eingesetzt werden)? – 1:37:50
  7. Zu den Auswirkungen auf Biodiversität: Kann man hier irgendwie Kategorien bilden, die man dann abprüft oder auch Bereiche finden, in denen man aufgrund logischer Schlussfolgerung Risiken ausschließen kann? Funktioniert das unterschiedlich für gentechnisch veränderte und konventionell gezüchtete Pflanzen? – 1:42:00
  8. an Alexandra: Du als Mitglied der Ökologie-Bubble in der DACH-Region – Wie ist unter Ökolog*innen generell die Einstellung zu grüner Gentechnik? Welche Bedenken werden besonders oft geäußert? – 1:46:09
  9. Anmerkung zu dem, was Michael gesagt hat: „Der Mais produziert das Toxin die ganze Saison“ – Könnte man nicht die Eigenschaft so einbringen, dass das Bt nur produziert wird, wenn die Pflanze auch wirklich angefressen wird? – 1:49:12
  10. an Michael: Wir haben während der Diskussion schon festgestellt, dass gemeinsame Forschung von grünen Gentechniker*innen und Ökolog*innen sehr sinnvoll wäre – Stichwort Freisetzungsversuche. Wie aufwändig und schwierig ist es unter den aktuellen Auflagen, diese durchzuführen? – 1:53:48

Zusätzliche Fragen, die im Nachgang beantwortet wurden

  1. Wie schätzt ihr das Potenzial für Resistenzzüchtung gegen Pflanzenviren ein? Ein Beispiel: Im spanischen Tomatenanbau gibt es von Insekten übertragene Viren, weshalb in diversen Betrieben ein Trend zu biologischem Pflanzenschutz rückläufig ist (beim Einsatz von Nützlingen werden selten alle Schädlinge gefressen oder parasitiert; die, die übrig bleiben, reichen um Viren zu übertragen und so für große Schäden zu sorgen). Der „chemische Pflanzenschutz“ lässt dabei weniger Vektorinsekten übrig, ist aber selten kompatibel mit Nützlingseinsatz.
    Antwort von Michael: Viren verursachen oft wirtschaftlich bedeutende Krankheiten in der Landwirtschaft. Oft werden sie durch sogenannte Vektoren übertragen, meist Insekten. Eine „traditionelle“ Bekämpfungsmethode sind Insektizide, umweltfreundlicher ist biologische Schädlingskontrolle. Wie erwähnt, muss die Kontrolle sehr gut sein, da sonst zu viele Insekten überleben und die Viren verbreiten können. Ob und wie Gentechnik hier helfen kann, hängt davon ab, ob der Wirkmechanismus der Viren bekannt ist und ob man Gene so verändern kann, dass die Viren keine Krankheit mehr auslösen können. Im Prinzip sollte das mit Gentechnik gut möglich sein (siehe Übersichtsartikel hier: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8640848/). Ein Beispiel aus den frühen Zeiten der Gentechnik ist die Papaya auf Hawaii, die mit einem RNAi Mechanismus gegen das ring spot virus ausgestattet wurde – interessanterweise ohne dass die Forscher damals den genauen Wirkmechanismus kannten. Man muss dann also nicht mehr die Vektoren bekämpfen, sondern macht die Pflanze resistent oder tolerant. Man könnte auch auf der Vektorenseite ansetzen, wenn man einen Mechanismus hätte, der die Übertragung der Viren verhindern würde.
  2. Zum Risiko, dass sich (GVO-)Nutzpflanzen in Ökosystemen verbreiten: Wird so etwas denn getestet in Versuchen und/oder der Zulassung?
    Antwort von Michael: Die meisten Nutzpflanzen haben Eigenschaften, die ein Ausbreiten in der Umwelt verhindern, z.B. geringe Verbreitung der Samen, nicht winterhart, angewiesen auf Nährstoffzufuhr, etc. Wenn das Ausbreitungspotential niedrig ist, wird auch eine genetische Veränderung hier keine grundsätzliche Änderung hervorrufen. Anders ist es bei Pflanzen, wie z.B. Bioenergiepflanzen, von denen man möchte, dass sie eine hohe Biomasse entwickeln, schnell wachsen und auf marginalen, nährstoffarmen Böden auskommen. Diese Eigenschaften erfordern eine genauere Beurteilung der unkontrollierten Ausbreitung, was als Teil der Risikoanalyse gemacht wird (Persistence and Invasiveness). Die Biologie der entsprechenden Pflanzen muss bekannt sein, wenn man eine Zulassung beantragt, d.h. Daten müssen dann vorliegen.
  3. Was kann denn eine einzelne Kultur zur Biodiversität beitragen und wie könnte das in Züchtung umgesetzt werden?
    Antwort von Michael: Einzelne Kulturen können am meisten zur Biodiversität beitragen, wenn sie in einer kleinräumigen Landschaft mit anderen Nutz- und Wildpflanzen angebaut werden. Wenn eine Kultur abgeblüht ist oder bereits reif ist, können die Bestäuber und andere Insekten zu einer anderen Kultur wechseln, die vielleicht gerade blüht. In Kombination mit naturnahen Habitaten (Hecken, Schonstreifen, Blühstreifen, Brachen, etc.) entsteht eine Landschaft, die jederzeit genügend Ressourcen für eine hohe Biodiversität bietet, auch wenn auf jedem einzelnen Feld jeweils nur eine Kultur wächst. Man überlegt sich aber auch, verschiedene Kulturen gemeinsam anzubauen (z.B. Erbsen und Getreide), um komplementäre Anforderungen bezüglich Platz und Nährstoffe auszunutzen und eine höhere Diversität auch in den einzelnen Äckern zu erreichen.
Margareta Hellmann

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