Bericht: GASB meets PAW – Gentechnik-Knackpunkt #1: Pflanzenschutz

Am 24. März 2022 startete die dritte Staffel unserer Webinar-Reihe #GASBmeetsPAW, die sich mit verschiedenen Knackpunkten in der Diskussion um Grüne Gentechnik beschäftigen wird. Zum Auftakt haben wir in der ersten Episode dank unserer drei Expert*innen und einem wunderbar interessiertem Publikum viel über Pflanzenschutz gelernt und diskutiert. Falls ihr die Veranstaltung verpasst habt, findet ihr hier oder unten eingebettet das komplette Webinar zum Anschauen! Interessiert euch nur ein bestimmter Vortrag oder einzelne Fragen, dann sucht weiter unten in diesem Beitrag nach den passenden Zeitstempeln.

Pflanzenschutz ist ein zentrales Thema, wenn über das Für und Wider Grüner Gentechnik diskutiert wird. Deshalb haben wir als German Association for Synthetic Biology e.V. (GASB) und Progressive Agrarwende (PAW) diesem Knackpunkt volle zwei Stunden gewidmet; dabei wurden wir von Svenja Augustin und Christian Kaiser entspannt durch den Abend geführt.

Bevor wir uns im Webinar genauer auf die verschiedenen Aspekte von Pflanzenschutz gestürzt haben, wollten wir wissen, wie unser Publikum so gestrickt ist. Die Zuschauer*innen konnten in unserer Mentimeter-Umfrage ihre Einschätzung zu drei plakativen Aussagen abgeben, von 1 (stimme nicht zu) bis 5 (stimme zu). Das Ergebnis hat uns insofern gefreut, als dass wir ein breites Spektrum an Meinungen erhalten haben. Die Mehrheit scheint Pflanzenschutzmittel als notwendig einzuschätzen und stimmt der Aussage eher nicht zu, dass Gentechnik zu mehr Pflanzenschutzmitteln führt. Doch es waren auch Zuschauer*innen dabei, die die jeweils gegenteilige Meinung vertreten oder keine klare Aussage treffen konnten oder wollten. Besonders bei der Aussage „Pflanzenschutzmittel führen zu mehr resistenten Schädlingen“ streuen die Ansichten des Publikums sehr breit.

Um überhaupt über die Zusammenhänge zwischen Pflanzenschutz und Gentechnik diskutieren zu können, muss man zuerst modernen Pflanzenschutz verstehen. Dazu führte uns Dr. Sabine Kind vom Institut für Pflanzenschutz in Obst- und Weinbau des Julius Kühn-Instituts in ihrem Vortrag in die Welt des Pflanzenschutzes ein. Wieso brauchen wir Pflanzenschutz? Welche Optionen haben die Landwirt*innen? Wie wird das Ganze reguliert? Und wieso ist Pflanzenschutz so viel mehr als nur die Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln?

Weiter ging es mit Dr. Kathrin Grahmann vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF), die uns ihre Arbeit am Projekt patchCROP vorgestellt hat. Perfekte Auswahl von Kulturpflanzen je nach vor Ort vorliegenden Bedingungen, kleinstrukturierte Felder mit hoher Heterogenität, weniger Bedarf an Pflanzenschutzmitteln und Unterstützung durch Robotik – könnte so die nachhaltigere Landwirtschaft von morgen aussehen?

Zum Schluss kam dann das Thema genetischer Pflanzenschutz und damit auch Grüne Gentechnik auf den Tisch. Dr. Hendrik Hanekamp von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen informierte uns darüber, was Züchtung leisten kann und welche Rolle resistente Sorten im Pflanzenschutz spielen.

Mehr Details zu den drei Expert*innen findet ihr in diesem Blogbeitrag oder ihr folgt ihnen einfach bei Twitter unter @kind_sabine, @KGraham87 oder @flaemingslord. Nach ihren Vorträgen war dann Zeit für eure Fragen! Über das Q&A-Tool von Zoom, als Wortmeldung oder per Kommentar im Youtube-Livestream, euer Interesse war wie immer beeindruckend! Die live gestellten Fragen findet ihr am Ende dieses Beitrags und könnt euch mithilfe der Zeitstempel die Antworten im Video nochmal anhören. Wie versprochen haben wir uns auch um die unbeantworteten Fragen gekümmert, die aus Zeitgründen leider nicht gestellt werden konnten. Unsere Gäste haben sich nachträglich per Mail damit befasst, die Antworten findet ihr ebenfalls hier unten.

Hat euch die Veranstaltung gefallen? Oder habt ihr sie verpasst, aber wollt beim nächsten Mal unbedingt live dabei sein, wenn wir über unseren zweiten Gentechnik Knackpunkt sprechen, das weite Feld der Biodiversität? Dann folgt uns auf Twitter unter @ProgAgrarwende, @gasb_synbio oder @oekoprog, behaltet unsere Websites im Auge oder abonniert unseren Newsletter und werdet rechtzeitig vor der nächsten Folge GABS meets PAW informiert!

Euer GASB meets PAW Team

René, Martin, Vinca, Svenja, Christian, Anja, Jana, Chris und Margareta

Zeitstempel der Vorträge

  1. Vortrag über Pflanzenschutz mit Fokus auf den Obstanbau von Dr. Sabine Kind – 9:02
  2. Vorstellung des Projekts patchCROP durch Dr. Kathrin Grahmann33:30
  3. Vortrag über genetischen Pflanzenschutz von Dr. Hendrik Hanekamp 57:36

Zeitstempel der Antworten auf folgende Fragen

  1. an Sabine: Hast du ein Beispiel für neue Schadorganismen, die aufgrund von Verschleppung und/oder Klima auftauchen? (Wie) werden Schutzmaßnahmen dagegen geplant, wenn scheinbar ohne Chemie? – 1:26:00
    Anmerkung von Jonas Freudigmann: Falls ich hier schon ein kleines Beispiel geben darf: Im Süden Italiens befällt seit etwa 10 ein Bakterium, Xylella fastidiosa, Oliven und zerstört Jahrhunderte alte Bäume. Der Erreger wurde leider recht spät entdeckt. Man versucht nun eine Art „firewall“ zu errichten, indem in einem breiten Gürtel in Italien Olivenbäume entwurzelt werden. So soll ein großer Bereich entstehen, über welchen sich der Erreger nicht ausbreiten kann. So kommt er dann im besten Falle nicht (oder erst später) in den Norden Italiens und Europas. Ist denke ich ein gutes Beispiel weshalb auch Monitoring sehr, sehr wichtig ist. Je früher (eingeschleppte) Erreger erkannt werden können, desto früher können entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden. Da können „Pflanzenschutzmittel“ dann im weitesten Sinne auch Hitze-Behandlungen sein, um sicherzustellen, dass z.B. eine Lieferung an Saatgut ohne Kontamination durch die Weltmeere geschifft wird.
  2. an Sabine/Hendrik: Wie bekommt man diese Entscheidungshilfe, wenn man chemischen oder biologischen Pflanzenschutz benutzen will? Wer bietet das an? – 1:28:45
    Anmerkung von Alexander Pfaff: Es gibt sehr viele verschiedene Entscheidungshilfen oder Prognosesysteme, teilweise werden die von Unternehmen angeboten oder vermarktet, teilweise werden die z.B. auch vom Julius Kühn Institut, ZEPP oder isip zur Verfügung gestellt.
  3. an Kathrin: Das Ganze hier bezieht sich ja eher auf Deutschland bzw. Europa, wie ist denn die Situation in Entwicklungsländern? Sind dort Pflanzenschädlinge z.B. durch fehlende Pflanzenschutzmittel ein großer Faktor für geringe Erträge oder sind andere Faktoren dabei entscheidender? – 1:31:58
  4. an Hendrik: a) Sind die zeitlichen Abstände zwischen Einführung von neuem Pflanzenschutzmittel und Entwicklung einer Resistenz im Schädling gleich geblieben? Oder gibt es da einen „Wettlauf“, der sich zuspitzt?
    b) Wie würde sich die Haltbarkeit von Resistenzen verändern, wenn man mehr zwischen Sorten abwechselt? – 1:35:50
  5. an Hendrik: Wenn eine resistente Sorte nur sieben Jahre hält, sind wir dann schnell genug? Eine klassische Züchtung dauert doch deutlich länger. – 1:40:37
  6. an Sabine: Wie beeinflusst Schädlingsbefall vs. Nutzung von Pflanzenschutzmitteln die Qualität der Nahrungsmitteln?- 1:42:37
  7. an Kathrin: Diversifizierung von Kulturen war ja schon ein Thema – kann eine breitere Nutzung von Pflanzenarten, z.B. durch intensivere Beforschung durch de novo Domestikation usw. von bisher wenig genutzten & domestizierten Spezies dabei helfen? – 1:45:18
    Anmerkung von Kathrin Grahmann: Unbedingt. Das Portfolio von Ackerkulturen muss sich in den kommenden Jahrzehnten erweitern und anpassen. Besonders bei den Sommerungen, da das Wasser fehlt. Am ZALF testen wir z.B. den Anbau von Hirse, Kichererbsen und Linsen, auch Sojabohnen sind ein großes Thema.
  8. an Hendrik: Führt ein Mangel an Fungiziden nicht am Ende zu mehr Resistenzen als eine größere Vielfalt? – 1:47:50
  9. an alle: Man hört häufig, dass man durch bessere Fruchtfolgen viel weniger Schädlinge hätte und dann auch weniger Pflanzenschutzmittel bräuchte. Wie schätzt ihr da das Potenzial ein? – 1:49:45
    Anmerkung von Jonas Freudigmann: Wovon mir ein Dozent berichtete (es ging hier um Bangladesh): Bei einigen Integrated Pest Management Methoden, unter anderem also auch Fruchtfolgen, kann es sein, dass die Effektivität dadurch verringert wird, dass es nur einzelne LandwirtInnen so handhaben und im Zweifel Nachbarfelder ohne Fruchtfolgen laufen. Heißt konkret, dass sich im Nachbarfeld die Erreger von Sorte X weiterhin wohl fühlen und sobald auf dem eigenen Feld Sorte X wieder angebaut wird, die Erreger dort wieder einfallen.
  10. an Kathrin: Ist schon etwas zum Ertrag von patchCrop im Vergleich zum konventionellen Anbau bekannt? – 1:51:47

Übrig gebliebene Fragen und Antworten

an Sabine:

  1. Gibt es Beispiele von Schädlingen, die aufgrund des Klimawandels ausgestorben sind?
    Es gibt – soweit ich weiß – keine Schaderreger die erwiesenermaßen aufgrund des Klimawandels ausgestorben sind. Man würde auch zunächst erwarten, dass ihre Bedeutung für den Ertragsanbau nachlässt. Es gibt durchaus Beispiele, dass die Bedeutung von bestimmten Schaderregern nachgelassen hat, aber das liegt zumeist darin begründet, dass sich zusätzlich sehr viel aggressivere Schaderreger ausgebreitet haben.
  2. Verlieren Erreger auch einmal erworbene Resistenzen gegen Pflanzenschutzmittel nach einigen Jahren, wenn der Selektionsdruck nachlässt?
    Ob Erreger die Resistenzen wieder verlieren, hängt vor allem davon ab, ob die Resistenz einen anderen Nachteil (z.B. langsameres Wachstum) als Nebenwirkung hat. Wenn das so ist, geht man davon aus, dass die Resistenzen sogar deutlich schneller verloren gehen, insbesondere solange in den Erreger-Populationen noch sensitive Typen vertreten sind. Auf dieser Annahme beruhen Resistenz-Vermeidungsstrategien, die innerhalb der Saison regelmäßige Wirkstoff-Wechsel und das Kombinieren verschiedener Wirkstoffe empfehlen, um zu vermeiden, dass sich Resistenzen in Populationen etablieren können (mehr Details auf der Website des Fungicide Resistance Action Committee). Im Rahmen der Pflanzenschutzmittel-Zulassung in Deutschland werden diese Empfehlungen berücksichtigt und entsprechende Auflagen erteilt (z.B. ist die Anzahl der Behandlungen pro Jahr und Wirkstoff begrenzt und Anwendung im Wechsel mit anderen Wirkstoffgruppen vorgegeben). Wenn resistenz-vermittelnde Mutationen aber keine „fitness costs“ verursachen, kann die Resistenz jahrzehntelang auch ohne Fungizidanwendung erhalten bleiben (Bsp: Benzimidazol-Resistenz in Oculimacula spec.; Leroux et al., 2013)

an Hendrik: coming soon!

Zusätzliche Informationsquellen von Sabine

Prognose-Modelle und Entscheidungshilfen: Informationssystem für die integrierte Pflanzenproduktion

Pflanzenschutzmittel-Anwendungen in Deutschland (Behandlungsindex)

Amtliche Auskunftsstellen für Pflanzenschutz (Pflanzenschutzdienste der Länder)

Verzeichnis zugelassener Pflanzenschutzmittel in Deutschland

Margareta Hellmann

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