Martins Beiträge enden, wie mein Beitrag anfängt: mit einer Zukunftsvision. Ich habe mich als Designerin mit nachhaltigen Ernährungsvisionen befasst und selbst welche entworfen. Dabei habe ich getestet, wie wir alle, egal ob Designer:innen oder nicht, Ideen für die Ernährungen von morgen generieren können. Denn ich denke, dass wir alle die Fähigkeit haben, eigene Gedanken über wünschenswerte Zukünfte zu entwickeln. Wie das funktionieren kann und wie ich das mit meiner Masterarbeit getestet habe, erfährst du in diesem Beitrag.
„Meal-prep“ war gestern. Die Lebensmittelproduktion hält Einzug in deinen mobilen Lifestyle: Der tragbare Rucksack-Reaktor versorgt dich jederzeit mit frischen Algen und macht deinen Snack zum besonderen Genuss. Mit dem Starter-Algensubstrat geliefert, erzeugt dein Rucksack fortan eine Biomasse, die wichtige Vitamine, Spurenelemente, Mineralien, Eiweiße und Fettsäuren enthält. Du bist ständig on the go und sippst dir für den kleinen Hunger Algen über den Trinkschlauch an deinem Rucksack. Nie war deine Erfrischung so praktisch und nährstoffreich zugleich.
So oder so ähnlich könntest du dich in zehn Jahren in der Stadt der Zukunft ernähren. Der Mikroalgen-Rucksack ist ein Teil von vier spekulativen Zukunftsideen, die ich unter dem Titel „Schaumahl Zukunft“ zusammengefasst habe.
Wieso überhaupt Mikroalgen?
Wie Johannes bereits in seinem Beitrag „Superfood von der Fensterbank“ geschildert hat, sind wir aufgrund begrenzt verfügbarer Ressourcen zum Umdenken gezwungen. Wir als Gesellschaft brauchen dringend neue Perspektiven, Ideen und Lösungen was unseren Umgang mit Lebensmitteln betrifft. Ein Teil einer Lösung liegt dabei sicherlich in der Nutzung pflanzenbasierter Rohstoffe wie z.B. den Mikroalgen.
Wie passen Algen und Design zusammen?
Es gibt eine spezielle Methode aus dem Designbereich, die zum Umdenken anregen und neue Impulse setzen kann – das ist das Spekulative Design. Kurz gesagt, bringt das Spekulative Design Innovationen und wissenschaftliche Erkenntnisse aus dem Abstrakten in die Vorstellungswelt der Menschen. Das passiert z. B. anhand kritischer Fragen zur Zukunft oder anhand erfundener Objekte und Szenarien, die neues Denken provozieren. Und weil das immer noch sehr abstrakt ist, gebe ich dir ein Beispiel: das „Schaumahl Zukunft“.
„Schaumahl Zukunft“
Was wäre, wenn wir Mikroalgen für die Produktion von neuen, gesunden Lebensmitteln in die urbane Umgebung integrieren?
„Schaumahl Zukunft“ ist ein Spekulatives Designprojekt, das sich ganz explizit mit dem Potenzial von Mikroalgen für die Ernährung der Zukunft befasst.
Zum „Schaumahl Zukunft“ gehört eine Website, die Spekulative Zukünfte mit Mikroalgen vorstellt. Die imaginären, aber glaubwürdigen Alltagssituationen ermöglichen es dir, dich mit den Auswirkungen verschiedener Ernährungsperspektiven auseinanderzusetzen, bevor sie eintreten.
Warum das nötig ist, zeigt sich sehr gut am Thema „künstlicher Intelligenz“. Es ist schwer greifbar, wohin uns die Entwicklung künstlicher Intelligenzen führen wird. Die Vorstellung darüber kann durchaus beängstigend sein. Deshalb ist es wichtig, im Vorhinein zu diskutieren und festzulegen, in welchen Bereichen wir sie einsetzten möchten und wo hingegen nicht. Wir möchten schließlich hoffnungsvoll und nicht ängstlich in die Zukunft blicken. Für diese Aushandlung kann das Spekulative Design den Weg ebnen und sozusagen emotionale Brücken bauen.
Nun habe ich oft betont, wie wichtig der Gedankenaustausch über mögliche Zukünfte ist.
Aber wie und wo kann dieser Austausch stattfinden?
Zum Beispiel in einem Workshop
Neben der Website des „Schaumahl Zukunft“ habe ich in Kooperation mit der Hans Sauer Stiftung, einer gemeinnützigen Stiftung zur nachhaltigen Stadtentwicklung, einen Spekulativen Workshop realisiert. Dort wurden potenzielle Nutzungen von Mikroalgen reichlich diskutiert und probiert: roh, und in Form von Algenschokolade und Algensmoothies.
Zum Beispiel genau hier
Die Progressive Agrarwende ist ein perfektes Beispiel, wenn es um darum geht, innovative Ideen aus und mit verschiedenen Disziplinen auf einer Plattform zu diskutieren.
Zum Beispiel direkt bei dir
Deine Meinung ist wichtig. Egal ob du sie nun hier auf diesem Blog, in deinem privaten Umfeld oder in einem Workshop mitteilst. Spekulieren und diskutieren kann man überall:
- „The Thing from the Future“ ist ein Spekulationsspiel, das dich und deine Mitspielenden dazu herausfordert, die provokantesten und unterhaltsamsten hypothetischen Objekte der Zukunft zu finden. Das ist übrigens ganz legal und kostenlos über die Creative-Commons-Lizenz hier verfügbar: http://situationlab.org/futurething-print-and-play-edition/
- „Tarot Cards of Tech“ sind Methodenkarten, die du online nutzen kannst, um die Auswirkungen von Technologien in der Ideenentwicklung zu berücksichtigen: http://tarotcardsoftech.artefactgroup.com
- Das Designstudio „Ellery Studio“ veranstaltet über Meetup regelmäßig Spekulative Workshops, mal offline, mal online: https://www.meetup.com/de-DE/Speculative-Futures-Berlin
Zum Einstieg ein paar Fragen an dich:
- Was wäre, wenn wir Gebäudefassaden als Nutzfläche zur Energiegewinnung und Lebensmittelproduktion betrachten würden?
- Was wäre, wenn industrielle Lebensmittelzusatzstoffe einen wichtigen Beitrag zu nachhaltiger Ernährung leisten würden?
- Was wäre, wenn wir die Nährstoffe aus unserem Stuhl wieder zurückgewinnen und für die Lebensmittelproduktion nutzen würden?
Mehr Fragen und potenzielle Antworten findest du auf https://schaumahlzukunft.com
„Der beste Weg, die Zukunft vorherzusagen, besteht darin, sie zu gestalten.“ – Abraham Lincoln
- Schaumahl Zukunft – Design für den Diskurs - 4. Juni 2022