Öko-Kolonialismus – Lasst Afrikaner*innen selbst entscheiden!

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Öko-Kolonialismus: Lasst Afrikaner*innen selbst entscheiden!

Wohlgenährte Aktivist*innen aus dem Westen sollten aufhören, afrikanischen Landwirt*innen vorzuschreiben, was sie auf ihren Höfen anbauen sollen

(Deutsche Übersetzung durch die Redaktion der Progressiven Agrarwende)

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Ein Augenbohnenhändler wartet auf einem Markt in Nigeria auf Kunden, wo Feldversuche mit einer gentechnisch veränderten, insektenresistenten Sorte durchgeführt werden. Credit: Cornell Alliance for Science

Die Herausforderungen, mit denen die kleinbäuerliche Landwirtschaft in Afrika konfrontiert ist, sind sehr komplex und für jede*n Landwirt*in ganz individuell, sodass differenzierte und pragmatische Lösungen erforderlich sind. Dennoch wird der afrikanische Kontinent derzeit von einem gut koordinierten Kreuzzug der “Agrarökologie” überrollt, der von westlichen Nichtregierungsorganisationen angeführt und reichlich finanziert wird und ein konservatives Einheitsmodell für die Landwirtschaft predigt. Obwohl die Cornell Alliance for Science und ihre Global Leadership Fellows oft fälschlicherweise als Gegner*innen der Agrarökologie dargestellt werden, unterstützen wir in Wirklichkeit eine Vision, die auf Fakten und Entscheidungsfreiheit beruht. Afrikanische Bäuerinnen und Bauern sind nicht dumm. Sie haben die Kompetenz und die Erfahrung, um die wissenschaftlich fundierten Lösungen und Technologien zu wählen, die am besten zu ihren besonderen landwirtschaftlichen Gegebenheiten passen. Diese NGOs sehen keinen Platz für Wahlmöglichkeiten oder die Instrumente der Biotechnologie in Afrika. Sie stellen ungeheuerliche Behauptungen gegen die Menschen und Gruppen auf, die meinen, dass die Afrikaner*innen selbst entscheiden sollten, ob sie sich der “Gen-Revolution” anschließen wollen. Trotz ihrer Rhetorik hat der angebliche „Krieg“ zwischen Biotechnologie und Agrarökologie auf dem afrikanischen Kontinent nichts mit den Landwirt*innen oder der Ernährungssicherheit zu tun. Es geht darum, die Finanzierung für die eine Gruppe (Biotechnologie) zu blockieren und die Finanzierung für die andere Gruppe (Agrarökologie) zu erhöhen. Die Agrarökologie-Aktivist*innen haben dies durch ihre zahlreichen Berichte und Behauptungen deutlich gemacht, die sich auf den Bericht „2020 Money Flows“ stützen und in dem behauptet wird, dass die Biotechnologie mehr Mittel erhält als die Agrarökologie und dass diese Mittel gestrichen werden sollten.

Bei der Alliance for Science (AfS) setzen wir uns für den Zugang zu verbessertem Saatgut – insbesondere zu gentechnisch verändertem Saatgut – ein, weil wir ehrlich davon überzeugt sind, dass es gut für uns, unsere Familien und unsere Gemeinschaften ist. Wir sehen, wie vielversprechend es ist, den Einsatz von Pestiziden zu reduzieren und klimaverträgliche Pflanzen zu züchten, die resistenter gegen Trockenheit sind und nahrhaftere Lebensmittel produzieren. So entwickeln ugandische Wissenschaftler*innen zum Beispiel eine Kochbanane mit einem höheren Vitamin-A-Gehalt. Wir sind sicher, dass sowohl die Landwirt*innen als auch Konsument*innen in Uganda, insbesondere Frauen im gebärfähigen Alter, eine nährstoffreichere Sorte dieses Grundnahrungsmittels zu schätzen wissen werden. Die Kuhbohnen-Bäuerinnen und -Bauern in Nigeria freuen sich bereits über die Möglichkeit, eine Hülsenfruchtbohrer-resistente Sorte anzubauen, die eine 80-prozentige Verringerung des Pestizideinsatzes verspricht und es ihnen ermöglicht, ihre Spritzungen von sieben pro Saison auf nur zwei zu reduzieren. Diese Reduktion wird sich in gesünderen Landwirt*innen, Pflanzen und Böden niederschlagen. Die kenianischen Landwirt*innen ernten bereits ihre ersten Bt-Baumwollpflanzen – eine weitere Kulturpflanze, die den Einsatz von Pestiziden reduziert – und wir sind gespannt darauf, wie sich dadurch der Lebensunterhalt der Einzelnen verbessern und die Textilindustrie des Landes neu belebt wird. Afrika hat es schließlich satt, als Abladeplatz für westliche Altkleider herzuhalten.

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Der Baumwollkapselwurm ernährt sich von den Stängeln, Blättern, Blütenköpfen und Früchten der Baumwolle. Gentechnisch veränderte Bt-Baumwolle bietet einen internen Schutz vor diesem Schädling. Credit: Cornell Alliance for Science

Wir behaupten nicht, dass gentechnisch veränderte Pflanzen ein Allheilmittel sind, das Afrikas landwirtschaftliche Probleme allein lösen wird. Aber wir wissen, dass sie eine wichtige Ergänzung des Werkzeugkastens ist, der Landwirtschaft und Wissenschaft zur Verfügung steht. Wir unterstützen insbesondere Pflanzen, die von afrikanischen Wissenschaftler*innen in den öffentlichen Forschungseinrichtungen Afrikas entwickelt werden, um den afrikanischen Kleinbäuerinnen und Kleinbauern zu helfen. Für die Biotechnologie einzutreten ist nicht dasselbe wie für den Neokolonialismus zu plädieren! Technologie kann keine rassische oder geschlechtliche Identität haben. Was die Biotechnologie für den Westen tun kann, kann sie sicherlich auch für Afrika tun, z. B. die Ernteerträge steigern. Warum sollte sich dann jemand gegen eine Technologie und ihre Vorteile aussprechen? Diejenigen, die sich gegen die Biotechnologie aussprechen, und ihre Geldgeber*innen sind Neokolonialist*innen, die weiterhin eine Subsistenzlandwirtschaft in Afrika am Leben erhalten wollen, um die Menschen in Afrika in einer ausgehungerten, hungrigen und bettelarmen Position zu halten. Damit sie der Gnade einer westlichen Macht ausgeliefert sind, die uns „Hilfe“ leistet und uns dann weiter ausbeutet, indem sie unsere Ernten als Rohmaterial aufkauft, um sie dann als teure Mehrwertprodukte weiterzuverkaufen – und dies dann Zivilisation nennt!

Bei Biotechnologie und Technologiezugang geht es um gemeinsame Werte. Wir setzen uns für eine gerechtere Welt ein, in der Landwirt*innen Zugang zu wissenschaftlichen Innovationen haben, die ihre eigene Lebensgrundlage und die Lebensmittel- und Ernährungssicherheit ihrer Nachbar*innen verbessern können. Und nein, verstehen Sie mich nicht falsch: Auch die Agrarökologie kann einen Beitrag leisten und ich bin nicht gegen sie. Womit ich nicht einverstanden bin, ist diese Mentalität des „the winner takes it all“. Warum wollen die Befürworter*innen von Bio oder Agrarökologie nicht, dass die Landwirt*innen eine Wahl haben? Das ist landwirtschaftliche Sklaverei! Jede*r wohlmeinende Europäer*in oder Amerikaner*in, die*der das eigene hart verdiente Geld an diese Organisationen spendet, die in Afrika tätig sind, um „die Armen der Welt zu retten“, möge bitte diese Organisationen fragen, wofür genau sie das Geld verwenden. Wenn sie es verwenden, um Technologien wie die Biotechnologie durch Verleumdungskampagnen und juristische Kriege gegen die Biotechnologiepolitik zu blockieren, sollten sie ihre Spende vielleicht noch einmal überdenken. Sie könnten damit indirekt zur weiteren Ausbeutung und finanziellen Versklavung Afrikas beitragen.

Patricia Nanteza